Montag, 28. Juni 2004
requiem für meinen vater
heute vor zwei jahren ist daddy cool gestorben, trotz krankheit plötzlich und unerwartet, im urlaub.

meine beziehung zu ihm war, so lang ich denken kann, schlecht. er war cholerisch, empfindlich und manchmal kindisch. alles eigenschaften, die ich auch bei mir entdeckt habe. aber ich hab gegengesteuert und ihm immer vorgeworfen, dass er das nicht geschafft hat.

meiner mutter hab ich, erst still, dann, monate vor seinem tod, laut vorgeworfen, mit diesem mann zusammen zu leben. ich empfand ihn als parasiten, der meine mutter aussaugt.
doch sie erklärte mir ruhig, was er für sie war und die bedingungen ihrer liebe und beziehung.

da hab ich verstanden. konnte ihn mit anderen augen sehen, und endlich lieben. so kam es, dass ich drei wochen vor seinem tod zu ihnen hochgefahren bin. ich hatte mit meinem vater zwei heitere tag mit lachen. ich konnte ihn umarmen und ihm sagen, dass ich ihn liebe.

und so kam alles zu einem friedlichen, schönen abschluss.

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Es wäre schrecklich, sie wären erst zwei Tage später dort angekommen. Solche Sachen gibt es.

So ist es, wie Sie sagen: friedlich und schön.

(Wie sagt der Volskmund: Vor dem Schlafengehen muß aller Streit geschlichtet sein.)

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ich hab was gelernt daraus ...
... gefühle zu sagen .. wenigstens die guten. ja, es wäre schrecklich gewesen, ich hätte meinen vater als schwarzen klumpen mit mir rumgeschleppt.
jetzt ist es anders, versöhnlich.
als ich mein einziges em-spiel sah - das der griechen gegen frankreich - hörte ich ihn förmlich: gaaanz schlecht! - die griechen sind ein unangenehmer gegener! - mehr nach vorn, verdammt noch mal - spielen die wieder in die breite ... usw.

ich hab die sätze laut mit gesprochen, es war lustig, und ich hab gelacht.
eine nette erinnerung an ihn: gemeinsam auf dem fußballplatz, als ich noch klein war, und später ab und zu zusammen vor der kiste.

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Die Beziehung zu den Eltern
ist ja irgendwie immer eine sehr sensible und schwierige Angelegenheit. Vor allem, dafür als "Kind" Verantwortung zu übernehmen.
Ich rekelte mich jahrelang in überlanger Trotzphase und bin nicht so ganz sicher, ob ich die überhaupt schon hinter mich gebracht habe.
Ihre Erzählung berührt mich ganz eigenartig. Meinen Vater umarmen und sagen, dass ich ihn liebe - glaube nicht, dass ich das könnte. Und das nicht nur, weil Männer da ja bisweilen etwas gefühlsbehindert sind, sondern auch, weil die Beziehung nicht danach ist, nie nach solchen Äußerungen war.
Aber trotzdem nagt da was.

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das schwierige an beziehungen zu eltern ist,
dass wir sie per definition lieben MÜSSEN, egal, was sie uns angetan haben. wir haben per definition keine wahl, das ist das fatale.

und schwierig ist es auch, wenn wir *kinder* erwachsene sind, und unseren eltern als erwachsene begegnen wollen.
diese neue beziehung kommt nur schwer zustande.

ich erinnere mich noch gut an mein sehr ambivalentes verhältnis zu meiner mutter. immer wieder, auch noch als über 30jährige, fiel ich zurück in die maulende abwehrhaltung meiner teenage-zeit.

aber als ich merkte, wie viel meine mutter mir bedeutet, hab ich mich auf eine aussprache vorbereitet, in der ich unsere beziehung neu gestalten wollte: als erwachsene mit eigenem leben zu einer anderen erwachsenen.
also hab ich wochenlang jeden tag vor dem spiegel den satz geübt: mutter, ich liebe dich.

und trotzdem war es fast wie eine geburt, dann diesen satz zu sagen.

was ich wichtig finde: die "verhältnisse" (für sich selber) zu klären, solang die eltern noch da sind. wenns keinen grund gibt, sie zu lieben, dann ist es halt so. respekt ist auch ein guter boden für eine - distanziertere - begegnung.

*ich hätt doch noch so viel sagen wollen* - ich glaub, das ist schlimmer, als zu sagen: okay, sie haben mich gezeugt, aber ich kann jetzt nix mehr mit ihnen anfangen.
ein schnitt, aber der verheilt.
dieses ungesagte, das ist eine schwärende wunde, die vielleicht nie heilt.

aber: es ist ganz schwer. wieso kann ich kollegen umarmen, die mir in ihrem denken und handeln so fremd sind? und schreckte jahrelang davor zurück, meinen vater zu berühren?
eltern, die sind soooo dicht dran.

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Lieben müssen
ist doch aber ein nicht auflösbares Paradoxon, oder?
Natürlich ging es mir lange Zeit genauso. Und das funktionierte nicht. Ein wesentlicher Schritt zur Bewusstwerdung der eigenen Person schien mir die Erkenntnis, dass Liebe, gerade zu den Eltern, nur aus freien Stücken entstehen und überleben kann.
Und weil sie das nicht tat, weil statt der freien Stücke nur Abhängkeit und schlechtes Gewissen im Vordergrund standen, schnitt ich irgendwann, kurz vor 30, die Beziehung ab. Radikal.
Sozusagen das Gegenteil vom eingeübten "Ich liebe dich".
Das war kein leichter Schritt. Aber ich würde ihn wieder tun. Es musste einfach sein, um dann danach, nach einigen Jahren, mit gewissermaßen abgeklärter Position, selbst gefestigter und nicht mehr abhängig, na ja, deutlich weniger abhängig, so etwas wie souveräne Schritte auf sie zugehen zu können.
Die Distanz, die dabei entstanden ist, hat viel weniger geschmerzt als die Nähe zuvor.

Was für ein Thema!
Passen Sie bloß auf, dass Sie da nicht zu tief reinstechen, bei mir, sonst müssen wir ein Extra-Blog aufmachen, dafür.
Was allerdings ein Projekt wäre...!

Ihnen eine schöne Besteigung des Melibokus (was immer das sein mag ;-) und reichlich "sonnige Abschnitte" für heute!

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distanz und nähe
das ist nicht nur bezüglich eltern-erwachsenes kind spannend, nicht wahr?

auf keinen fall möchte ich in Sie stechen ... aber ich denke im moment mal wieder intensiver sowohl über meine eltern als auch über das nähe-distanz-problem nach. und der gedankenaustausch mit Ihnen gibt mir anregungen zum denken.
wenn's zu tief geht, dann rufen Sie halt einfach stopp!

immerhin scheinen Sie einen guten weg gefunden zu haben, wie Sie die beziehung zu Ihren eltern gestalten; distanz ist kein schlechter weg, meine ich.

der melibokus (auch melibocus oder malschen genannt) ist der höchste berg der hessischen bergstraße (odenwald). er ist von der autobahn a5 zwischen darmstadt und heidelberg aus zu sehen. drachenflieger kennen den gut. es gibt dort eine rampe für sie. ich hab mal zugesehen - NIE würde ich .... aber schön anzusehen ist es allemal.

ein schönes wochenende wünsche ich Ihnen.
ich begeb mich jetzt ein paar tage ins leben, in abenteuer und auf verbotene wege.

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Ohja, was für ein Thema
Da bin ich jetzt gerade noch nicht erholt genug für.

Aber den Melibokus habe ich an Ostern erwandert. Das war sehr fein! Der Blick bis nach Biblis (oder weiter). Dort mal gut geschützt eine Gewitter trächtige Wetterlage erleben ;-)))

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genau das habe ich auch gedacht ...
... was für eine stimmung dort, wenn hinter einem die schwarze wand steht, davor noch die sonne scheint. dieses seltsame licht vor gewittern, wenn die farben so intensiv, fast giftig wirken, besonders das grün der bäume und wiesen.

biblis - grauslig!

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