Sonntag, 7. November 2004
realität
wer ins krankenhaus geht, sollte sich vorher von der tv-vorstellung, von den eindrücken der krankenhaus-soaps verabschieden.
in einer deutschen uniklinik: schwestern hasten gestresst über die gänge. es bleibt kaum zeit für die unbedingt erforderlichen verrichtungen wie medikamente und essen austeilen, patienten zum op-saal schieben und wieder abholen, betten, waschen.
wer von den patienten kann, muss sich um sich selbst und andere kümmern. muss pflaster lösen, einen magenschlauch festkleben, bei der maniküre helfen, beim zurechtschneiden von gewebeschläuchen für kühl-pads.
es ist viel zu sehen, was man lieber nicht sehen möchte, von dem man lieber gar nicht so genau gewusst hätte, dass es existiert: die von unfall oder krebs entstellten gesichter - wenn zum beipiel ein ganzer unterkiefer fehlt in so einem gesicht.
das extrem verschwollene gesicht eines kleinen operierten jungen - monströs aufgequollen, doch in ein paar tagen wird alles wieder sein, wie es sein soll, nichts wird an das karpfenartige verstörende gesicht erinnern.
vielleicht sieht man auch in eines der zimmer, dessen türen offen stehen, damit die schwestern und pfleger beim vorbeihasten schnell einen blick hineinwerfen können - vielleicht sieht man dann eine frau im bett sitzen, scheinbar unversehrt, nur eine kleine narbe am hals, nur etwas blass.
die frau hat noch sechs monate, das ist also ihr letzter 6. november überhaupt, der letzte herbst, der letzte winter. aber einen frühling hat sie noch, einen sommeranfang.
ihr mann sitzt am bett und ist verzweifelt, mehr als sie. seine augen schießen durchs zimmer, finden nirgends halt.
als die frau einen moment aus dem zimmer ist, sagt er mit herumschießenden augen leise, mehr zu sich: ich kann die verbleibende zeit gar nicht genießen. ich muss immerfort ans ende denken.
der sohn sitzt nachmittags dabei, mit einem fernen traurigen lächeln, die augen forsch und aufmunternd, bespricht er irgendwelche vertragsgeschichten.
jetzt muss man also sein leben regeln.
und beim rausgehen sagt man dann vielleicht die mitteleuropäische floskel *auf wiedersehen*, worte mit plötzlichem schrecklichen gewicht, mit missklang.
in einer deutschen uniklinik: schwestern hasten gestresst über die gänge. es bleibt kaum zeit für die unbedingt erforderlichen verrichtungen wie medikamente und essen austeilen, patienten zum op-saal schieben und wieder abholen, betten, waschen.
wer von den patienten kann, muss sich um sich selbst und andere kümmern. muss pflaster lösen, einen magenschlauch festkleben, bei der maniküre helfen, beim zurechtschneiden von gewebeschläuchen für kühl-pads.
es ist viel zu sehen, was man lieber nicht sehen möchte, von dem man lieber gar nicht so genau gewusst hätte, dass es existiert: die von unfall oder krebs entstellten gesichter - wenn zum beipiel ein ganzer unterkiefer fehlt in so einem gesicht.
das extrem verschwollene gesicht eines kleinen operierten jungen - monströs aufgequollen, doch in ein paar tagen wird alles wieder sein, wie es sein soll, nichts wird an das karpfenartige verstörende gesicht erinnern.
vielleicht sieht man auch in eines der zimmer, dessen türen offen stehen, damit die schwestern und pfleger beim vorbeihasten schnell einen blick hineinwerfen können - vielleicht sieht man dann eine frau im bett sitzen, scheinbar unversehrt, nur eine kleine narbe am hals, nur etwas blass.
die frau hat noch sechs monate, das ist also ihr letzter 6. november überhaupt, der letzte herbst, der letzte winter. aber einen frühling hat sie noch, einen sommeranfang.
ihr mann sitzt am bett und ist verzweifelt, mehr als sie. seine augen schießen durchs zimmer, finden nirgends halt.
als die frau einen moment aus dem zimmer ist, sagt er mit herumschießenden augen leise, mehr zu sich: ich kann die verbleibende zeit gar nicht genießen. ich muss immerfort ans ende denken.
der sohn sitzt nachmittags dabei, mit einem fernen traurigen lächeln, die augen forsch und aufmunternd, bespricht er irgendwelche vertragsgeschichten.
jetzt muss man also sein leben regeln.
und beim rausgehen sagt man dann vielleicht die mitteleuropäische floskel *auf wiedersehen*, worte mit plötzlichem schrecklichen gewicht, mit missklang.
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sonrisa,
Montag, 8. November 2004, 22:18
Ich kenne diese wirkliche Welt von ihrer schrecklichsten Seite. Ich habe sie erfahren am eigenen Leib und diesen Text auch. Man vergisst diese Welt niemals mehr, man verdrängt sie, nach einer Zeit, um überhaupt leben zu können. Es gibt viele Reaktionen, reifere und unreifere. Man läuft jedoch von nun an anders weg, man schließt anders die Augen, man wendet anders seinen Kopf ab. Mich hat dieses Elend sehr verändert, ich kann heute fühlen, was ein unerträglicher Schmerz ist, weiß was Todesangst ist und vor allem weiß ich, was hinter diesen Mauer passiert: Mit welcher Kälte es dort zugeht - ungeachtet der Frage danach, wer nun im einzelnen dafür verantwortlich ist. Wie man mit Kranken, Schwachen, Kindern umgeht, das ist der Spiegel einer Gesellschaft und unsere gibt sich hier ein hässlicheres Antlitz als wie man meinen mag. Die Krankenhausfilme und -serien sind ein Hohn darauf, eine der handgreiflichsten Formen von Ideologie die ich kenne. Man würde es sich wünschen, dass es so ist wie dargestellt. Aber das einzige was im Krankenhaus daran erinnert, das sind ebendiese Serien, die man auch dort schauen darf.
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kopfherz,
Dienstag, 9. November 2004, 22:12
fühlen Sie sich einfach ganz sanft umarmt.
ich kann mir - ganz entfernt und natürlich nur ganz ungefähr alle mögliche vorstellen.
ich kenn beide seiten: die vor und die im bett.
wie man mit den kranken und schwachen umgeht - ja, das ist ein spiegel der gesellschaft.
das krankenhaus macht viele krank - nicht nur die menschen in, sondern auch die vor den betten.
oft hat man nur die wahl, verrückt zu werden oder sich komplett abzuschotten - *kalt* zu werden.
ich wollte beides nicht, und bin gegangen.
aber ich merke, wie alles wieder hochkommt, wenn ich mal wieder drin bin, und sei es auch nur auf besuch.
ich kann mir - ganz entfernt und natürlich nur ganz ungefähr alle mögliche vorstellen.
ich kenn beide seiten: die vor und die im bett.
wie man mit den kranken und schwachen umgeht - ja, das ist ein spiegel der gesellschaft.
das krankenhaus macht viele krank - nicht nur die menschen in, sondern auch die vor den betten.
oft hat man nur die wahl, verrückt zu werden oder sich komplett abzuschotten - *kalt* zu werden.
ich wollte beides nicht, und bin gegangen.
aber ich merke, wie alles wieder hochkommt, wenn ich mal wieder drin bin, und sei es auch nur auf besuch.
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sonrisa,
Mittwoch, 10. November 2004, 14:10
Ich habe nur einmal in der Pflege gejobbt, mein Einblick von dieser Seite ist also rudimentär. Aber ich ärgere mich immer wieder zu gegebenen Anlässen über wie wenig Ansehen der Pflegeberuf gesellschaftlich verfügt und wie schlecht dort bezahlt wird. Es sind die falschen Prioritäten, die das Leben hier bestimmen.
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kopfherz,
Donnerstag, 11. November 2004, 21:53
Sie haben recht,
und die miese bezahlung und das schlechte ansehen, verzuckert mit klischees, das ist ein thema, dass mich immer noch regelmäßig in rage bringt.
auch ein herr esser wird sich mal den hintern abwischen lassen müssen - und wieso ist der mist, den er gebaut hat, mehr geld wert als der knochenjob, den der mensch erledigt, der ihn abwischt?
und was für ein wahnsinn, 1-euro-jobs in der pflege schaffen zu wollen.
daran ist nur interessant, aber das richtig, wie solche arbeit angesehen wird.
mir graust.
auch ein herr esser wird sich mal den hintern abwischen lassen müssen - und wieso ist der mist, den er gebaut hat, mehr geld wert als der knochenjob, den der mensch erledigt, der ihn abwischt?
und was für ein wahnsinn, 1-euro-jobs in der pflege schaffen zu wollen.
daran ist nur interessant, aber das richtig, wie solche arbeit angesehen wird.
mir graust.
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