Dienstag, 17. Februar 2004
bröckelnde fassade
frau fischer ist 85 und wohnt gegenüber im erdgeschoss, wie ich.
wir können uns durch die scheiben sehen und zuwinken, wenn wir wollen.
bis jetzt gings immer noch. sie war immer schick, mit highheels, onduliert, rock usw.
aber nun bröckelt ihre fassade mächtig.

frau fischer: >> hier ist es nimmer schön. alles so durcheinander. jetzt sind die wohnungen immer wo anders. erst hab ich meine gar nicht mehr gefunden. dann hat jemand gesagt: aber die wohnungen sind jetzt hier. bald geh ich woanders hin.<<

frau fischer: >> gucken sie mal (zeigt ihre wohnungsschlüssel). was ist das?<<
- ihre wohnungsschlüssel, frau fischer.

frau fischer: >>ja? achja. aber erst jetzt. die hat mir jemand in die hand gedrückt, aber ich weiß nicht wer oder wann.<<

frau fischer: >>in letzter zeit hab ich immer pech. wenn ich einkaufen gehe, dann sind immer die geschäfte zu. ist heute sonntag?<<
- nein, dienstag. sie kommen doch gerade vom einkaufen (ich zeige auf ihre volle tasche).

frau fischer: >> hm, ach ja. und wissen sie was? da ist gerade mein lehrer gestorben. der arme, er war erst 48 jahre. und ich weiß gar nicht, wo er beerdigt worden ist. ich konnte ja nicht hin. da muss ich mal in die stadt fahren und in den geschäften fragen, wo er liegt. die müssten ihn doch kennen.<<

mir tuts in der seele weh. irgendwann wird sie abgeholt werden, dass wars dann ... ein reiches leben ... und wo soll der kater hin?

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Der Kater?
Ich hätte da eine Idee..........was halten Sie davon?

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und welche?
ich kann ihn halt nicht nehmen ... obwohl ich gern würde. bin aber oft tagelang nicht hier.
deshalb kann ich mich auch nicht so um frau fischer kümmern, wie ich gern möchte.

aber ... sie haben eine lösung?

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Nein, hat sich
mit Ihrer Antwort soeben erledigt. ;o)

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wäre eine gute lösung
ich hab schon dran gedacht, aber eben ... beruflich ... privat ... ich bin halt oft nicht da.
mal sehen, was wird, wenns wirklich matthäi zum letzten kommt.
leider ist die tocher ein totalausfall und macht nix für muttern.

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Warum abgeholt werden?
Warum eigentlich?
Möglich, dass sie sich eines Tages nicht mehr allein versorgen kann, aber mit ambulanter Pflege müsste das in den Griff zu bekommen sein.
Meine Oma war auch so, zuhause konnte man damit leben. Als sie ins Heim kam, ging es rapide bergab. Gerade mal ein Jahr später war sie tot.

Aber es ist natürlich auch niemand bereit / in der Lage, sich auf alte Leute einzustellen. Ich auch nicht. :-(

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weil sie allein ist
und sich niemand, der dann was zu sagen hätte, für sie interessiert (ihre tochter). leider.

ich mag sie, und ich komm gut mit ihr zurecht, aber ich hab einfach keine zeit. das ist so.

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Komisch
Ich hatte letzte Woche mit meiner Nachbarin ein recht ähnliches Erlebnis. Die Dame ist wohl auch schon Mitte 80 und hat angeblich "Al's Hammer" (John Irving). Neulich saß sie abends allein im Treppenhaus und redete wirr. Auf Nachfrage kam heraus, daß sie wohl Portemonnaie und Schlüssel vergessen/verloren/verbummelt hatte. "Gestohlen! Warum tun Sie sowas?" Angeblich hatte ich auch ihre Armbanduhr gestohlen. "Das ist aber nicht nett, junger Mann!"
Ich wohne erst seit einem halben Jahr dort und kannte ihren Namen nicht genau. Immerhin den konnte sie mir sagen - verbunden mit der Aufforderung, dafür Sorge zu tragen, die "toten Soldaten", die überall herumlägen, wegzuschaffen. Sie wäre doch schließlich eine Frau. Auf die Frage, ob Sie eventuell wegen des fehlenden Schlüssels irgendwelche Angehörigen informiert hätte, meinte sie nur "Sie sind ja drollig! Wen? Da sind doch nur Frauen, was sollen die denn da machen? Da müssen doch die Männer hin..."

Äh ja. Schlimmer fand ich allerdings die Reaktion der Nachbarn, bei denen ich dann anklingelte. Weiß nicht, kenn ich nicht, tut mir leid - bis hin zu: Na, da haben Sie aber Pech, daß sie weiter oben wohnen. Sonst hätten Sie das ja gar nicht mitbekommen. Schönen Abend noch!

Da kann man nur hoffen, daß einem in diesem Haus nicht selber mal was passiert.

Obwohl ich vermutete, daß die Nachbarin ihren Schlüssel irgendwo bei sich trägt, mußte dann die Polizei kommen. Die Beamten fanden dann nach kurzer Taschendurchsuchung tatsächlich auch den Schlüssel...

Mittlerweile habe ich herausgefunden, daß die Dame keine Angehörigen mehr hat. Ihr Mann ist letztes Jahr gestorben, und seitdem baut sie wohl rapide ab. Ein Sozialberater vom Bezirksamt will jetzt einmal ihre Wohnsituation überprüfen und schauen, ob sie noch für sich sorgen kann.

Ein kleiner Vorgeschmack für uns alle. Oder ein paar von uns.

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ja, es ist schon ein mulmiges gefühl
... solchen abbau hautnah mitzuerleben.
wieviel da an schweren gedanken sind, nicht? die toten soldaten ... vermutlich doch selbst erlebt.

ich denke, es würde nicht viel brauchen, damit die alten trotzdem noch lange in ihrer gewohnten umgebung leben können:
- verständnisvoll nachbarn wie sie, die sich nicht persönlich angegriffen fühlen, weil sie des diebstahls beschuldigt werden, zum beispiel.

es wird halt auch nix besser, wenn die alten aus ihrer umgebung in ein heim kommen, da ist dann oft der ofen erst recht aus. sie schaffen es nicht mehr, sich zu orientieren und diese gewaltsame umsiedlung zu verdauen.

ich wünsche uns, dass wir davon verschont bleiben.

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